16 Schlussbetrachtung: Den ganzen Menschen betreuen  

 

Wenn wir Therapie betreiben, behandeln wir genau genommen die Erkrankung von Organsystemen, die Fehlfunktion einzelner Organe oder gar nur das Symptom einer Krankheit. Mit Betreuung des Kranken meinen wir dagegen die Person als solche. Anders als bei Problemen mit einem Knochen, mit der Leber oder auch mit dem gesamten Stoffwechsel haben wir es dann mit psychischen Problemen, speziell mit unbewussten, emotionalen, impliziten Reaktionen, also mit dem Kern der Persönlichkeit selbst zu tun.

 

Das Gehirn ist zwar auch nur ein Organ, das beispielsweise einen Tumor haben kann, den man gezielt behandelt. Das Gehirn ist aber auch der "Sitz" des Denkens und Fühlens, des Wollens und der Verhaltenssteuerung, ist der Sitz des Selbst, der Persönlichkeit mit allen ihren verschiedenen Fähigkeiten und Empfindlichkeiten.

 

Das Gehirn ist das Organ, das immer mitreagiert, das nicht nur über den Kreislauf und Hormone, sondern über seine eigenen Nervenwege mit allen Organen verbunden ist. Es steht so sehr im Zentrum, dass wir von seiner Funktionsfähigkeit die Entscheidung abhängig machen, ob der Mensch noch lebt oder nicht.

 

Das Gehirn reagiert mit auf vielen seiner Ebenen, wenn eines der Organe des Körpers krank ist. Erst wenn man diese Bereiche der Persönlichkeit mit einbezieht, spricht man mit Recht von der Behandlung des "ganzen Menschen". Sie wurde mit der rasanten Zunahme der Apparatemedizin immer häufiger vermisst und gefordert, auch von vielen Fachleuten, und besonders dann mit voller Berechtigung.

 

Die derart definierte Betreuung ist das wichtigste Anliegen dieses Buches. Im Vorwort habe ich auf strukturelle Mängel in diesem Bereich hingewiesen. Als Hauptursache habe ich den Mangel an Zeit für zwischenmenschliche Kommunikation zwischen allen beteiligten Personen angesprochen. Ich habe aufgefordert zur bestmöglichen Nutzung der verbleibenden Zeit und - als Voraussetzung dafür - zur gezielten Weiterbildung auch in dieser Hinsicht. Und wir haben dann versucht, nach Verbesserungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, den Finger auf eventuelle Schwachstellen zu legen und über Abhilfe nachzudenken.

 

Wir haben uns mit vielen Einzelfunktionen beschäftigt, die zur Persönlichkeit des Patienten wie auch seiner Betreuer beitragen. Wir haben gesehen, wie Antriebe in Form der angeborenen Bedürfnisse in diesem Zentrum des Menschen wirksam werden, wie sie Wünsche und Verhalten bedingen. Wir haben diskutiert, dass die Gefühle zur persönlichen Charakterisierung der Gedächtnisinhalte verwendet werden und dass dadurch das Individuum seinen Vorteil erkennt und diesen in sein Zentrum rückt, und dass es dadurch erst zu persönlichen Entscheidungen fähig wird. Gleichzeitig modifizieren diese Emotionen aber auch die Motivationen und das Verhalten. Sie charakterisieren als Selbstwertgefühl und als Selbstbewusstsein das Zentrum der Persönlichkeit. Und sie können ein aktuelles Krankheitsgeschehen massiv zum Guten wie zum Schlechten beeinflussen, verstärken jedenfalls viele Symptome.

 

Den emotionalen Zustand anderer vermögen wir mit Hilfe der Empathie zu erkennen. Das erleichtert zwischenmenschliche Beziehungen, hebt sie erst auf eine menschliche Ebene. Das Wissen um diese Fähigkeiten verpflichtet förmlich zu ihrem gezielten Einsatz. Es verpflichtet aber auch zu ernsthafter Weiterbildung.

 

Wir haben also viele gesonderte Funktionen besprochen, die alle zur Persönlichkeit beitragen, die alle zum "ganzen Menschen" dazugehören. Müssen wir ihn nun in Gedanken wieder aus diesen Einzelteilen zusammensetzen, müssen wir eine Gesamtschau von seinem Seelenleben haben, um den ganzen Menschen angemessen betreuen zu können?

 

Wir müssen nicht. Wir sollten aber über dieses unfassbar komplexe Ganze gut Bescheid wissen, über die vielfältige, subtil austarierte psychische Welt in seinem Gehirn, durch die er Mensch ist. Aber berücksichtigen müssen wir jeweils die Teilaspekte, die in der aktuellen Situation gefordert sind, oder wenigstens die wichtigen unter ihnen. Ob wir dem Patienten eine Injektion geben oder ob wir ihn auf die Intensivstation bringen, wir müssen von seiner Angst und ihren Ursachen wissen, müssen sein Informationsbedürfnis berücksichtigen und auch sein Bedürfnis nach Mitgefühl. Wir sollten dann darauf eingehen mit Worten, aber auch mit der zugehörigen Körpersprache, sollten auf Rückmeldung warten können und auch auf diese eingehen. Dann und erst dann haben wir mit diesen aktuell bedeutsamen Teilaspekten dem "ganzen Menschen" geholfen.

 

Das können bedeutungsvolle psychologische Hilfen sein oder eher unscheinbare. Wichtig ist, dass der Patient sich als Mensch behandelt fühlt und nicht nur als Träger eines kranken Organs, an dem die Ärzte die organische Funktionsstörung interessiert, nicht aber die Belastung des seelischen Gleichgewichts, die diese Funktionsstörung auch auslöst. Daran ändert sich qualitativ auch nichts, wenn der Patient "nur" als Kunde kam. Dass man das richtige Verhalten lernen kann, haben wir besprochen.

 

Dennoch ist es eine gewaltige Aufgabe, denn die "menschliche" Zuwendung sollte ja bei jedem Kontakt mit jedem Menschen stattfinden – jedenfalls nach Möglichkeit bei fast jedem Kontakt. Jenseits einer gewissen Schwelle wird dann die menschliche Einstellung die typische Atmosphäre der Station oder gar den "Geist des Hauses" bestimmen. Längerfristig sind daher sozial kompetente Mitarbeiter die wichtigste Investition eines Krankenhauses, sind seine kostbarste Säule.

 

Schon das ehrliche Bemühen um ganzheitliche Betreuung ist ein hohes, häufig sicher schwer erreichbares Ziel für jeden einzelnen Mitarbeiter. Er könnte ihm durchaus nahekommen bei gutem Willen zur perfekten Berufsausübung. Wer die Gabe dazu nicht ohnehin hat (und das sind wenige), der sollte diese Kompetenz zu erwerben suchen, er muss es zur Vervollständigung der Ausübung seines Berufes. Er wird dann immer öfter nicht nur Erfolgserlebnisse haben, sondern eine tiefe Genugtuung erleben

 

 

 

 

 

 

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Leseprobe aus dem Buch “Emotionspsychologie im Krankenhaus”

Angeborene Bedürfnisse entsprechen grundsätzlich den Trieben bei den Tieren. Beim Menschen sind sie durch extrinsische Einwirkungen wesentlich mitbestimmt. Man rechnet mit 12 bis 24 verschiedenen derartigen gerichteten Motivationen. Sie sorgen dafür, dass der Mensch aktiv wird und bleibt. Psychologisch sind sie die Grundlage unserer Wünsche, sind aber auch bestimmend für STimmungen, Handlungen und damit für den Charakter

Zum Stichwort angeborene Bedürfnisse

Erklärung

Bücher  -  Bücher

Prof. Dr. Wolfgang Seidel, Sindelfingen

Konzepte zur emotionalen Kompetenz

Schlussbetrachtung

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Stichworte

Viele Stichworte wurden mehrfach behandelt . Zusätzliche Informationen erhält man durch anklicken von “ X”

 

Abwägen

Alter, gefühltes

Angst

Arbeitsspeicher

angeborene Bedürfnisse; X

Automatismen

Begabung

Belohnungszentrum

Berufswahl; X

Bewertungssystem; X

Bewusstsein

Burnout-Syndrom

Burnout, Vorbeugung

Charakter

Depression; X

Determinismus

Egoismus

eigener Wille

Einstellungen; X; X

Emotionen, primäre; X

emotionale Intelligenz; X

Empathie; X

Empfindungen

Entscheidung

Erfahrung; X

Ethik

Flow

freier Wille

Führungsfehler; X

g-Faktor

Gefühlsqualität

Gehirnschäden

Gewichtung

Gewissen

Innere Emigration; X

Intelligenz; X; X

Intelligenz, interpersonale

Körpergefühl

Kompetenz, X; X

Kommunikation

Lebensqualität; X

Lernen; X

Marker, emotionale; X

Marshmallow-Test

Menschenkenntnis

Motivation, gerichtete; X

Motivation, ungerichtete

multiple Intelligenz

Optimismus; X; X

Persönlichkeit

Reflex

Selbstbeherrschung; X; X; X

Selbstkritik

Selbstwertgefühl

Soziale Kompetenz; X

Soziopsychologie

soziale Stile

Spiegelzellen; X

Stimmung; X; X

Stress; X

Subjektivität, X; X

Sympathie

Teamfähigkeit; X

Temperament; X

Verantwortung; X; X

Verhalten ändern; X

Weltbild, inneres

Willensbildung

Wohlbefinden

Inhaltsverzeichnis

 

Home - Willkommen

 

1.Emotionspsychologie

1.1    Emotionen

1.1.1    emotionale Intelligenz

1.2    emot. Kompetenz

1.2.1     Referat zur Kompetenz

1.3   Motivationen

1.3.1    Modulation

1.3.2    Charakter

1.4   Temperamente

 

2 Psychologie-Themen

2.1   Intelligenz

2.2  Odptimismus und Gewissen

 

3 Vorträge aktuell

3.0  Videos von Vorträgen

3.1   Burnout

3.1.1   Bo.Info

3.2   Lebensqualität

3.3   Chancen durch Emotionen

3.4   Team und Führung

3.5   Freiheit wozu

3.6   freier Wille

3.7   Intelligenz

3.8   Lehrerseminar

3.9   Personalentwicklung

3.10  medizinische Berufe

3.10.1   Empfehlung

3.11  Sozialpädagogik

 

4 Vortrags-Planung

4.1   Das richtige Programm

 

5 Meine Bücher

5.1    Der Ratgeber

5.1.1    Inhaltsangabe

5.1.2    Pressespiegel

5.2   Krankenhaus

5.2.1   Inhaltsverzeichnis

5.2.2    Vorwort

5.2.3    Schlussbetrachtung

5.3   ethisches Gehirn

5.3.1    Leseprobe

5.3.2   Strafjustiz

5.4   Burnout

5.4.1    Schlusskapitel

5.4.2   Burnout Leseproben

5.5   Der informierte Patient

5.5.1      Textproben

 

6 Literaturempfehlung

 

7 Kontakt

7.1   Impressum

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